Der Bundesrat hat am 16. März 2020 die Situation in der Schweiz als «ausserordentliche Lage» gemäss Epidemiengesetz eingestuft. Alle Läden, Restaurants, Bars sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe wurden deswegen bis mindestens am 26. April 2020 geschlossen. Die Massnahmen wurden in der Folge noch ausgeweitet. Auch wenn einzelen Betriebe schrittweise in drei Phasen vom 27. April, 11. Mai und 8. Juni 2020 wieder geoffnet werden sollen, ist ein definitives Ende der Massnahmen nicht absehbar.
Dies hat massive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, in welchen der Bundesrat zur Linderung der Folgen für die Wirtschaft mit verschiedenen Massnahmen eingegriffen hat. Die folgenden Schwerpunkte und die anschliessenden wichtigsten Fragen und Antworten sollen dazu dienen, eine Übersicht über die arbeitsrechtlichen Konsequenzen der Epidemie zu geben.
Gerne stehen wir, die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte von Stieger + Schütt, Ihnen mit unserer Arbeitgeber-Hotline für Auskünfte zu rechtlichen Fragen wie zur richtigen Vorgehensweise gegenüber Arbeitnehmern und Behörden zur Verfügung.
Besonders gefährdete Arbeitnehmer
Mit der Covid-19-Verordnung 2 hat der Bundesrat ab dem 17. März 2020 eine neue Pflicht für Arbeitgeber betreffend besonders gefährdeten Arbeitnehmer eingeführt. Solche Mitarbeitende kommen ihren arbeitsvertraglichen Pflichten soweit möglich von zu Hause aus nach.
Gemäss dieser Verordnung kann der Arbeitgeber auch solche Mitarbeitende im Betrieb arbeiten lassen, soweit mit geeigneten organisatorischen und technischen Massnahmen die Einhaltung der Empfehlungen des Bundes betreffend Hygiene und sozialer Distanz sichergestellt ist. Nur wenn dies nicht möglich ist, können diese Mitarbeitenden unter Lohnzahlung zu Hause bleiben. Bei der Frage, ob und wie diese Massnahmen konkret im Betrieb umgesetzt werden können, haben die Arbeitgeber naturgemäss einen gewissen Spielraum.
Als besonders gefährdete Personen gelten Personen ab 65 Jahren. Ferner zählen jene Personen dazu, die insbesondere folgende Erkrankungen aufweisen: Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronische Atemwegserkrankungen, Krebs sowie Personen mit Erkrankungen und Therapien, die das Immunsystem schwächen.
Als Kurzarbeit bezeichnet man die vorübergehende Reduzierung oder vollständige Einstellung der Arbeit in einem Betrieb, wobei die arbeitsrechtlichen Vertragsbeziehungen aufrechterhalten werden. Die Arbeitnehmer werden dabei bei Erfüllung der Voraussetzungen der Kurzarbeit für die ausgefallene Arbeitszeit aus der Arbeitslosenversicherung im Umfang von 80 % entschädigt, während der Arbeitgeber die restlichen 20 % nicht zahlen muss.
Die Einführung von Kurzarbeit soll vorübergehende Beschäftigungseinbrüche – wie aktuell aufgrund des Coronavirus - ausgleichen und die Arbeitsplätze erhalten. Die Kurzarbeitsentschädigung stellt folglich eine Alternative zu drohenden Kündigungen dar. Falls die gesetzlichen Vorschriften erfüllt sind, werden von den kantonalen Arbeitslosenversicherungen Kurzarbeitsentschädigungen an die Betriebe ausgerichtet.
Anspruch haben Arbeitnehmende, die ALV-beitragspflichtig sind und Arbeitnehmer, die die obligatorische Schulzeit zurückgelegt, das Mindestalter für die AHV-Beitragspflicht jedoch noch nicht erreicht haben.
Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer müssen während der Kurzarbeit ihre Arbeitszeit erfassen (z.B. mit Stundenrapport, Stempelkarten etc.). Die tägliche Kontrolle der Arbeitszeit muss über die geleisteten Arbeitsstunden, die Ausfallstunden sowie über sämtliche Absenzen (Ferien, Krankheit, Unfall, Militärdienst etc.) Auskunft geben. Diese und andere Erfordernisse sind unbedingt einzuhalten, damit es trotz der vereinfachten Anmeldeverfahren nicht zu späteren Rückforderungen kommt.
Der Bundesrat hat im Rahmen der Corona-Krise die Ansprüche auf Kurzarbeitsentschädigung ausgeweitet und die Beantragung vereinfacht:
Neu kann die Kurzarbeitsentschädigung auch
- für Angestellte in befristeten Arbeitsverhältnissen und
- für Personen im Dienste einer Organisation für Temporärarbeit und
- für Personen, die in einem Lehrverhältnis stehen,
- für Arbeitnehmer auf Abruf (mit Schwankungen im Beschäftigungsgrad über 20 %)
ausgerichtet werden.
Ausserdem kann Kurzarbeitsentschädigung neu auch für arbeitgeberähnliche Angestellte beantragt werden. Als arbeitgeberähnliche Angestellte gelten z.B. Gesellschafter einer GmbH, welche als Angestellte gegen Entlöhnung im Betrieb arbeiten. Personen, die im Betrieb des Ehegatten bzw. des eingetragenen Partners mitarbeiten, können nun auch von Kurzarbeitsentschädigungen profitieren. Sie können eine monatliche Pauschale von Fr. 3320.- als Kurzarbeitsentschädigung für eine Vollzeitstelle geltend machen.
Der Arbeitgeber musste die Kurzarbeit nach bisherigem Recht grundsätzlich mindestens 10 Tage vor deren Beginn der kantonalen Amtsstelle am Sitz des Betriebes voranmelden. Die Voranmeldefrist wurde vom Bundesrat aufgrund der aktuellen Pandemie aufgehoben. Eine rückwirkende Anmeldung ist aber nicht möglich. Zudem müssen Arbeitnehmer aktuell nicht mehr zuerst ihre Überstunden abbauen, bevor sie von Kurzarbeitsentschädigungen profitieren können. Die Anmeldung muss schriftlich erfolgen. Zu den Formularen des SECO
Ein Entscheid der kantonalen Amtsstellen ist nur dann möglich, wenn das Voranmeldeformular vollständig ausgefüllt ist. Ist dies nicht der Fall, kann die kantonale Amtsstelle weitere Unterlagen verlangen. Aufgrund der ausserordentlich grossen Anzahl der Gesuche haben die kantonalen Behörden vereinfachte Anmeldeformulare eingeführt. In dieser besonderen Situation ist jedoch unklar, wann mit einem Entscheid gerechnet werden kann.
Das gesetzlich vorgesehene Massenentlassungsverfahren und die Sozialplanpflicht sollen die mit dem Stellenabbau zusammenhängenden negativen Folgen für die Betroffenen abfedern. Das Verfahren besteht aus verschiedenen Massnahmen, welche der Arbeitgeber gegenüber den betroffenen Mitarbeitenden und den Behörden einhalten muss. In der Praxis erweist sich die konkrete Umsetzung des vermeintlich klaren Ablaufs oft als schwierig.
Als Massenentlassung gelten Kündigungen, die der Arbeitgeber innerhalb von 30 Tagen aus Gründen ausspricht, die in keinem Zusammenhang mit der Person des Arbeitnehmers stehen und von denen mindestens:
- 10 Arbeitende in Betrieben mit 20 bis 100 Angestellten
- 10% der Belegschaft in Betrieben mit 100 bis 300 Angestellten oder
- 30 Angestellte in Betrieben mit über 300 Beschäftigten
betroffen sind.
Die verschiedenen Schritte lassen sich vereinfacht wie folgt zusammenfassen:
1. Konkrete Absicht einer Massenentlassung
2. Information an die Arbeitnehmerschaft
3. Kopie der Mitteilung an das kantonale Arbeitsamt
4. Konsultationsverfahren
5. Prüfung der Vorschläge
6. Mitteilung des Entscheids an die Arbeitnehmer sowie Anzeige an das kantonale Arbeitsamt
7. Aussprechen von nicht vermeidbaren Kündigungen
Falls eine Massenentlassung im Sinne des Gesetzes vorliegt und der Arbeitgeber die entsprechenden Vorschriften nicht einhält, ergeben sich für den Arbeitgeber wesentliche finanzielle Nachteile.
Zum einen ist gemäss Art. 336 Abs. 2 lit. c OR jede Kündigung missbräuchlich, die im Rahmen einer Massenentlassung erfolgt, ohne dass die Arbeitnehmerschaft konsultiert worden ist. Die betroffenen Mitarbeitenden können Einsprache gegen die Kündigung erheben und eine Entschädigung in der Höhe von maximal zwei Monatslöhnen geltend machen.
Zum anderen kann die fehlende Information des Arbeitsamts dazu führen, dass die Arbeitsverhältnisse weiter laufen und die Arbeitnehmer entsprechende Lohnforderungen stellen können.
Entlässt der Arbeitgeber mit mindestens 250 Arbeitnehmern mindestens deren 30 innerhalb von 30 Tagen aus Gründen, die in keinem Zusammenhang mit ihrer Person stehen, so hat er die Pflicht, mit den Arbeitnehmern Verhandlungen mit dem Ziel zu führen, einen Sozialplan aufzustellen. Können sich die beiden Seiten nicht auf einen Sozialplan einigen, muss ein Schiedsgericht bestellt werden, welches einen Sozialplan aufstellt.
Häufig werden uns in der Beratung folgende Fragen gestellt:
Nein. Grundsätzlich gilt: „Ohne Arbeit kein Lohn“. Sofern keine Behörde die Tätigkeit verbietet, gilt das Fernbleiben als unentschuldigte Absenz ohne Lohnzahlung.
Ja, denn dem Arbeitgeber steht das Hausrecht an den Betriebsräumen zu. Er kann deswegen z.B. den Arbeitnehmenden, welche aus den Risikogebieten zurückkehren, den Zugang zum Betrieb vorübergehend versperren.
Soweit aufgrund der weiteren Verbreitung des Coronavirus Arbeitskräfte ausfallen oder die Produktion infolge erweiterter Nachfrage erhöht wird, ist der Arbeitgeber unter Umständen auf die Leistung von Überstunden angewiesen. Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, Überstunden zu leisten, sofern diese durch die Umstände gerechtfertigt sind und es dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist (vgl. Art. 321c Abs. 1 OR).
Ja, im Regelfall schon.
Ja, der Arbeitgeber muss dem Arbeitnehmer die Kurzarbeitsentschädigung vorschiessen, d.h. 80% des Verdienstausfalls ausrichten. Der Arbeitgeber darf aber auch den vollen Lohn weiter bezahlen.